Kaum ein Konsumbereich wird so umworben wie die Tourismusbranche. Das gilt auch für die Ferien- und Erholungsgebiete in Westfalen, vornehmlich im Sauerland. Besonders das Hochsauerland als Zentrum im Land der "Tausend Berge" bediente sich früh und professionell entsprechender Marketingstrategien.
Über 50 Jahre Werbung im Tourismus – das Beispiel Winterberg
"Der Gebirgsverein und der Skiclub Sauerland entfalten eine umfangreiche Reklame, die nicht ohne Erfolg geblieben ist. Das schneereiche Winterberg ist besonders ein Mittelpunkt des Wintersports geworden", schrieb W. Benkert bereits im Jahre 1911. So gab es schon im frühen 20. Jh. gezielt Werbung für den Wintersport – der Skiclub Winterberg wurde 1907 gegründet, die erste Sprungschanze entstand 1909, die erste Bobbahn ein Jahr später (vgl. Landkreis Brilon 1969, S. 124). Zugleich kam das Werben um "Sommerfrischler" verstärkt hinzu.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Fremdenverkehrsgewerbe im Zuge der Entstehung des Massentourismus rasant weiter. Dementsprechend wurden ab Mitte der 1950er Jahre durch Werbung immer wieder neue Tourismusgruppen angesprochen. Dabei standen einerseits die (naturräumlichen) Potenziale des Hochsauerlandes, andererseits die angesprochenen Zielgruppen und die ihnen in Urlaub und Freizeit möglichen Aktivitäten im Fokus (Abb. 1).
Das Potenzial: eine von den Stadtregionen in Nordwestdeutschland und den Niederlanden leicht erreichbare Mittelgebirgsregion mit ihren heilklimatischen Reizen, abwechslungsreichen Landschaftsbildern, Wäldern und Tälern und einer offenen, innovativen Bevölkerung (nicht zuletzt entstanden durch die vielfältigen Handelsbeziehungen der Kaufleute).
Die Zielgruppen: Wintersportbegeisterte sowie Erholung und Heilung Suchende in "reiner" Luft, vor allem aus dem Ruhrrevier. Angesprochen wurden junge Paare oder Kleinfamilien, die sich im Sommer ein bis zwei Wochen Urlaub leisten konnten.
Meistens reiste man mit dem Bus an, organisiert durch entsprechende Reiseveranstalter. Im Winter überwog der Wochenend- oder Tagestourismus, gestützt auf den eingesetzten Sonderzügen aus nordrhein-westfälischen Städten. Es gab somit eine klare Trennung zwischen Sommer- und Wintersaison; im Sommer stand Wandern im Vordergrund, im Winter das Skifahren.
Die eigentliche Marke war der Astenturm auf dem Kahlen Asten in unzähligen Variationen: Bilder, auch Luftbilder und graphische Abbildungen.
Die Werbung war immer auch mit der Ferienregion Sauerland unter Einbeziehung des Waldecker Uplands mit dem Zentrum Willingen verbunden; das ist bis heute so geblieben.
Broschüren und Kataloge (heute eher Flyer) der letzten 50 Jahre belegen bei den Aktivitäten Konstanten (Wandern), aber auch Innovationen (Drachenfliegen, Mountainbiking etc). Dies ist verständlich, wenn man die Altersstruktur der Gäste der "Ferienwelt Winterberg" wahrnimmt (Abb. 2). Aktuell machen Familien einen Anteil von 25% aus, 57% reisen mit Partner/in, 13% allein, 10% mit Freunden/Bekannten.
Im Zuge der kommunalen Neugliederung (1975), die in manchen Dörfern und Ortsteilen nicht unumstritten war, musste sich die jetzige "Großgemeinde" Winterberg auch bei ihrer Tourismuswerbung neu ausrichten. Dies dauerte über ein Jahrzehnt, bis die Touristikzentrale der Kernstadt diese Situation für den Slogan "Winterberg und seine Dörfer" nutzte.
Es bleibt allerdings festzustellen, dass auch im Jahre 2012 13 der 14 eingemeindeten Ortsteile eine selbständige Werbung über eigene Internetauftritte unabhängig von der "Tourismuszentrale" Winterberg betreiben.
In Hinblick auf die Zielgruppen kennzeichnen die Prospekte der letzten 20 Jahre ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich mittlerweile fragmentarisch aus sehr unterschiedlichen sozialen Zielgruppen zusammensetzt: Wanderfreunde wollen anders angesprochen werden als Biker, "Event"-Touristen, Kids, Senioren, Kunstinteressierte, Ruhebedürftige oder Gesundheitssuchende. Da wird es immer schwieriger – nicht zuletzt wegen der konkurrierenden Tourismusgebiete – die erreichte Marktposition zu halten. Insofern werden die Werbemaßnahmen, nicht zuletzt durch die Online-Möglichkeiten, fast unüberschaubar. 2006 warben bereits 18 Internetauftritte im Zusammenhang mit 365 Tage Urlaub in der Ferienwelt Winterberg. Aus der eher beschaulichen "Kappe" wurde der "Erlebnisberg Kappe – ein Berg voller Sport- und Freizeitspaß" mit Panorama-Erlebnis (Brücke "Sky-Boa"), Sommerrodelbahn, Kletterwald und Bikepark (Abb. 3).
Winterberg firmiert als Zentrum der Wintersport-Arena Sauerland: "Das größte Schneevergnügen nördlich der Alpen"; darunter das Skiliftkarussell Winterberg mit allein 27 Skiliften. Viele Hänge werden inzwischen von Schneekanonen beschneit (s. Beitrag Fischer).
Kann Winterberg in Zukunft unter den Vorzeichen eines umweltgerechten Tourismus seine dominante Position halten? Die Fremdenverkehrsstatistik des Zeitraums zwischen 1985 und 2010 verdeutlicht folgende Entwicklung: Die Übernachtungszahlen blieben in diesem Berichtszeitraum auf einer stabilen Basis (zwischen 843.000 und 864.000). Viermal lag die Zahl darunter (Minimum: 780.000, 2007), zehnmal darüber, davon viermal über 900.000 (Maximum: 940.000, 1996). Die Entwicklung der übrigen Kennziffern veranschaulichen die Tabellen 1 und 2.
Aus einem ein- bis zweiwöchigen Urlaubsvergnügen wurde über die Jahre ein zwei- bis dreitägiger "Weekend"-Aufenthalt mit "Events" wie "Chill & Destroy Snowboard" und "Freestyle Festival", "Mountainbike-Weekend", "Kids on Snow Festival" sowie "Hartkloppingen" für die niederländischen Gäste (vgl. Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH 2011). "Willkommen in der Funsport-Metropole", "Dich empfängt die Stille der endlosen Wälder", "Kleine Glücksmomente im Grünen" – so lauten nun die Werbesprüche. Wirklich alles neu?
Geblieben sind die naturräumlichen Voraussetzungen der Gipfel, Täler und Wälder im "Land der Tausend Berge", das Klima für sehr unterschiedliche Aktivitäten für alle Altersgruppen im Sommer, mittlerweile ebenso im Herbst wie im Winter und die beharrende Attraktivität der Region für die niederländischen Nachbarn. Geblieben ist auch der Kahle Asten mit dem Astenturm (Abb. 4) als Orientierungspunkt und weit sichtbare Gipfelmarke.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Benkert, W. (1911): Wirtschaftsgeographische Verhältnisse, Volksdichte und Siedlungskunde der Ederopf-Winterberg-Plattform. Marburg (Diss.) | |
• | Dodt, J. (1967): Fremdenverkehrslandschaften und Fremdenverkehrsorte im Rheinischen Schiefergebirge. In: Die Mittelrheinlande. Festschrift zum XXXVI. Deutschen Geographentag 1967 in Bad Godesberg. Wiesbaden, S. 92–119 | |
• | Landkreis Brilon (Hg.) (1969): Das Hochsauerland. gestern.heute.morgen. 150 Jahre Landkreis Brilon. Brilon | |
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Pape, M. (1984): Nutzungsbewertung von fremdenverkehrsorientierten Freizeiteinrichtungen im Hochsauerland. |
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• | Tourist-Information Winterberg (2006): Die Stadt Winterberg – Ferienwelt im Sauerland. Winterberg (Manuskript) | |
• | Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH (Hg.) (2011): Ferienwelt Winterberg. Ihre Gastgeber 2011/12. Winterberg | |
• | Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH (Hg.) (2013): Die Ferienwelt Winterberg stellt sich vor. Winterberg | |
• | www.erlebnisbergkappe.de | |
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www.it.nrw.de |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Tourismus_Winterberg |
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www.winterberg.de |
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• | www.wintersport-arena.de |
Erstveröffentlichung 2013, Aktualisierung 2015